Datenschutz für Jedermann: Fotoaufnahmen unter der DS-GVO
Eine der häufigsten Diskussionen des letzten Jahres im Bereich des Datenschutzes betrifft die datenschutzkonforme Erhebung von Bilddaten, oder besser gesagt: Wie kann ich heute rechtskonform fotografieren? Sowohl vor als auch nach dem 25. Mai 2018 gab es in den Fotografieforen, aber auch in der Expertenwelt unterschiedliche Diskussionsansätze mit teilweise unterschiedlichsten Lösungen, welche in ihrer Gesamtheit irgendwo zwischen „Ende der freien Fotografie“ und „Eigentlich ändert sich nichts“ gependelt sind. Kein Wunder, dass sich auch die deutschen Datenschutz-Aufsichtsbehörden mit dieser Thematik befassen mussten. In diesem Fall hat der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI BW) sich des Themas angenommen und dazu einen Artikel in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht veröffentlicht.
Der Streit: DS-GVO vs. KUG
Vor dem In-Kraft-Treten der DS-GVO war die Sachlage relativ einfach: Da das alte Bundesdatenschutzgesetz (BDSG a.F.) ein subsidiäres Gesetz war, das nur dann in Anspruch genommen werden konnte, wenn es keine Regelungen in anderen Gesetzen gab, galt hinsichtlich der Erhebung der Bildaufnahmen (also das Fotografieren) der Vorrang der §§ 22, 23 Kunsturheberrechtsgesetz (KUG), wonach eine Einwilligung des Fotografierten grundsätzlich erforderlich ist, wenn nicht eine der folgenden Ausnahmen eingreift:
- Es handelt sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte;
- Bilder, auf denen die Personen nur das Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
- Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
- Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
Dieser Vorrang des KUG bzgl. des Anfertigens von Fotografien wurde auch mehrfach gerichtlich bestätigt. Hinsichtlich des Veröffentlichens der Fotografien wurde von Juristen der Vorrang des KUG zumindest angenommen.
Dieses Konstrukt hat sich durch die DS-GVO geändert, und selbst viele Experten waren sich uneins, wie das Verhältnis zwischen den beiden Gesetzen aussehen soll. Manche sehen einen Vorrang der DS-GVO vor dem KUG, weil die Norm neuer ist, manche sehen einen Vorrang des KUG, weil dieses Gesetz spezieller ist als die DS-GVO. Der OLG Köln hat in einem Beschluss wiederum festgelegt, dass in einem bestimmten Einzelfall im Zusammenhang mit journalistischer Tätigkeit, das KUG neben der DS-GVO anwendbar sei, und das Bundesministerium des Innern vertritt die Ansicht, dass das KUG über Art. 85 Abs. 1 DS-GVO zu eine nationaler Anpassungsregelung für die DS-GVO geworden ist.
Auf gut Deutsch: Wir sind kein bisschen schlauer als zuvor!
Aber was muss ich nun wirklich beachten, wenn ich Personen fotografiere?
Unabhängig davon, wie man zu dem doch sehr akademischen Streit um die Anwendbarkeit von KUG und DS-GVO steht: Sobald ich Fotografien für den rein privaten Gebrauch anfertige und verwende (soll heißen: Ich darf sie zwar bspw. auch in sozialen Netzwerken auf meinen privaten Profilen veröffentlichen, solange ich damit keine Werbung oder Gewinnerzielungsabsicht betreibe, vergleiche Erwägungsgrund [EG] 18 zur DS-GVO), greift die DS-GVO aufgrund der Ausnahmeklausel des Art. 2 Abs. 2 lit. c DS-GVO nicht.
Wenn ich Fotografien im Auftrag oder aus kommerziellen Interessen anfertige (weil ich die Bilder z.B. auf meiner eigenen Homepage oder in sonstigen Portalen zum Verkauf anbiete), dann kommt es immer auf die Situation an, in der die Fotos gemacht werden:
Bei reinen Auftragsarbeiten, auf denen Personen abgebildet werden (z.B. Porträtfotografie) liegt in der Regel ein Vertrag vor, aufgrund dessen die Datenerhebung zulässig ist. Verträge sind eine legitime Rechtsgrundlage für eine Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO. In allen sonstigen Fällen dürfte ein künstlerisches oder gewerbliches Interesse als sog. berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO anzusehen sein. Im Normalfall ist dann im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Interesse des Fotografen und dem Persönlichkeitsrecht des Fotografierten davon auszugehen, dass die Interessen des Fotografen überwiegen. Ergänzend kommt hinzu, dass in der Tätigkeit des Fotografen ebenfalls eine durch Grundrechte geschützte Handlung zu sehen ist, nämlich die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG bzw. Art. 15 EU-Grundrechtecharta und die Kunstfreiheit nach Art. 5 GG bzw. Art. 13 EU-Grundrechtecharta. Lediglich beim Fotografieren Minderjähriger ist eine Einwilligung der (aller) Erziehungsberechtigten zwingend erforderlich.
Wichtig ist zudem, dass eine Information erfolgen muss, dass fotografiert wird, und zu welchen Zwecken die Fotos erstellt werden. Die Regelungen hierfür ergeben sich aus den Art. 13 und 14 DS-GVO. Das bedeutet, dass ein Fotograf, der im Studio Auftragsfotografien erstellt, eine entsprechende Datenschutzinformation aushängen/verteilen muss, damit er rechtssicher fotografieren darf. Bei geschlossenen Veranstaltungen sollte ebenfalls eine entsprechende Information erfolgen; hier hängt es dann von der tatsächlichen Verantwortlichkeit ab, wer diese Information erteilen muss: entweder der Auftraggeber (bei einem Fotografen, der als Auftragsverarbeiter für den Auftraggeber tätig ist), oder durch den Fotografen selbst. Bei offenen Veranstaltungen oder Fotografien von Örtlichkeiten, wo ein unbestimmt großer Kreis von Personen betroffen sein kann, hätte grundsätzlich eine Information nach Art. 14 DS-GVO zu erfolgen, da die Daten nicht direkt beim Betroffenen erhoben wurden (sprich: der Fotografierte weiß häufig gar nicht von seinem „Glück“, mit auf dem Motiv zu sein); im Regelfall ist allerdings davon auszugehen, dass eine entsprechende Information einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern dürfte und daher nach Art. 14 Abs. 5 lit. b DS-GVO auf die Information der Betroffenen verzichtet werden kann.
Was muss ich beachten, wenn ich Aufnahmen veröffentlichen möchte?
Die Veröffentlichung von Fotoaufnahmen ist eine zusätzliche Verarbeitung der Daten, die nach Abschluss der Erhebung (=Fotografieren) durchgeführt werden kann. Hier spielt dann wieder der Streit über die Anwendbarkeit der §§ 22, 23 KUG eine Rolle, doch selbst wenn man die Ansicht vertritt, das KUG trete hinter die DS-GVO zurück, so bleibt jedoch immer noch die Möglichkeit, die Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung (auch hier im Regelfall wieder Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO – berechtigtes Interesse im Sinne des künstlerischen bzw. gewerblichen Schaffens) entsprechend der Grundsätze der Regelungen aus dem KUG auszulegen. Danach wäre eine Veröffentlichung der Bilder auf jeden Fall unproblematisch:
- wenn eine Einwilligung vorliegt;
- bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte;
- wenn Menschen nur das Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit sind;
- bei Bildern von Versammlungen o.ä.;
- wenn die Veröffentlichung einem höheren Interesse der Kunst dient.
Ein Maßstab für die Erforderlichkeit einer Einwilligung auch in Fällen von Straßen- oder Landschaftsfotografie könnte im Zweifelsfall darin gesehen werden, wie sehr die betroffene Person in den Vordergrund tritt. Je stärker der Fokus der Fotografie auf der Person liegt, desto eher ist davon auszugehen, dass eine Einwilligung erforderlich ist. Im Umkehrschluss folgt daraus aber auch, dass eine Einwilligung voraussichtlich nicht erforderlich ist, je mehr eine Person in der Masse oder im Hintergrund verschwindet. Dies ist aber immer im Einzelfall zu prüfen; ein allgemeiner Maßstab lässt sich da bislang nicht festlegen.
Worauf muss ich achten, wenn ich eine Einwilligung einholen möchte?
Die Regelungen für die Einwilligung ergeben sich aus Art. 7 DS-GVO, bei Kindern ist zudem der Art. 8 DS-GVO zu beachten. Wichtig ist auf jeden Fall, dass eine Einwilligung freiwillig erfolgen muss; sie darf nicht an andere Sachverhalte gekoppelt sein und deren Einsetzen o.ä. von der gegeben Einwilligung abhängig sein. Zudem muss der Betroffene auch darauf hingewiesen werden, dass er seine Einwilligung jederzeit und ohne entstehende Kosten widerrufen darf; danach darf das Foto nicht länger verarbeitet werden, aber die bis zum Widerruf durchgeführte Verarbeitung bleibt rechtmäßig (was dann wichtig sein könnte, wenn Fotografien in größeren Mengen verarbeitet werden, z.B. beim Druck und Versand von Prospekten). Der Widerruf muss genauso einfach sein wie die Erteilung der Einwilligung.
Fazit
Fotografieren ist auch nach der DS-GVO rechtlich kein größeres Problem. Sofern die DS-GVO überhaupt eingreift (also nicht im rein privaten Umfeld), dürfte in der Regel eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung vorliegen: entweder ein Vertrag zwischen Fotografen und seinem Fotomodell, eine Einwilligung des Betroffenen oder aber seine gewerbliche oder künstlerische Tätigkeit als berechtigtes Interesse des Fotografen. Einwilligungen müssen freiwillig erfolgen und dürfen nicht als Voraussetzung für weitere Rechtsfolgen dienen. Ein Widerruf der Einwilligung sollte genauso leicht erfolgen wie die Einwilligung selbst, weswegen es sich anbietet, dafür z.B. eine E-Mail-Adresse als Kontaktmöglichkeit aufzuführen. Im Regelfall ist der Betroffene immer nach Art. 13 DS-GVO über die Erstellung bzw. Veröffentlichung der Fotografie zu informieren, in Fällen von Landschafts- oder Straßenfotografie kann jedoch darauf verzichtet werden, wenn der Aufwand für die Information unverhältnismäßig groß ist (Achtung: dies gilt nur in solchen Fallkonstellationen! In geschlossenen Gesellschaften o.ä. hat eine Information grundsätzlich zu erfolgen).
Quellen:
https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/wp-content/uploads/2019/02/LfDI-34.-Datenschutz-T%C3%A4tigkeitsbericht-Internet.pdf
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln/j2018/15_U_110_18_Beschluss_20181008.html
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/faqs/DE/themen/it-digitalpolitik/datenschutz/datenschutzgrundvo-liste.html
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/02/rk20180208_1bvr211215.html