Datenschutz für Jedermann: Auch für Falschparker?
Wer von uns kennt das Problem nicht: Man will nur kurz in den Supermarkt, die Apotheke oder in die Arztpraxis springen, ist evtl. auch noch spät dran und sowieso in Eile, und nachdem man aus dem Geschäft (oder der Praxis) zurückkehrt, findet man an eine Zahlungsaufforderung über normalerweise ca. 20-30 Euro in Form einer so genannten „Vertragsstrafe“. In diesem Zusammenhang werden natürlich auch die unterschiedlichsten personenbezogenen Daten erhoben, bspw. das Kfz-Kennzeichen, die Uhrzeit des vermeintlichen Verstoßes, evtl. auch Fotoaufnahmen zur Beweissicherung und eine Halterabfrage. Genügend Gründe, sich mit dem Thema auch aus datenschutzrechtlicher Sicht näher zu befassen, dachten sich wohl auch einige Betroffene, wie der baden-württembergische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit (LfDI BW) in seinem 34. Tätigkeitsbericht erläutert.
Aber ist das nicht öffentlicher Parkraum?
Wenngleich ich kein vollausgebildeter Jurist bin und auf dieser Seite keine Rechtsberatung betreibe, sondern lediglich meinen Standpunkt zu datenschutzrechtlichen Fragen äußern möchte, kann ich hier wohl mit relativer Bestimmtheit sagen: Jein! Die Parkplätze, wie wir sie heute an sehr vielen Supermärkten oder vergleichbaren Gebäuden finden, sind in der Regel auf Privatgelände, auf dem der Gebäudeeigentümer die entsprechenden Parkplätze hat anlegen lassen, oder sind auf Gelände, welches der Gebäudeeigentümer von der öffentlichen Hand gepachtet hat. Egal wie, der Betreiber hat diese Flächen jedenfalls zu weiteren Bewirtschaftung und ggf. zur Überwachung an spezielle Dienstleister weiterverpachtet, die sog. Parkraumbewirtschafter. Diese stellen dann die uns allen bekannten Parkordnungen auf und treiben bei Verstößen eine sog. Vertragsstrafe ein.
Aber ich habe doch keinen Vertrag mit dem Parkraumbewirtschafter abgeschlossen!
Doch! Schon mit Befahren des Parkplatzes, jedenfalls aber mit Abstellen des Fahrzeuges geht man durch konkludentes, also rein schlüssiges Handeln, einen Vertrag mit dem Parkraumbewirtschafter ein und unterwirft sich damit auch deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (die in diesen Fällen häufig „Parkordnung“ o.ä. genannt wird). Vertragsschlüsse ohne deutliche Willenserklärungen von einem oder mehreren Vertragspartner sind im Rechtsverkehr durchaus üblich – oder sagt Ihnen Ihr Bäckereifachverkäufer oder Ihre Bäckereifachverkäuferin auf Ihr „Zwei Brötchen, bitte.“ (was ein Kaufsangebot darstellt): „Ja, ich verkaufe Ihnen gerne zwei Brötchen.“ (was eine Annahme des Kaufangebotes darstellen würde)? Nein, vielmehr werden Ihnen zwei Brötchen in eine Papiertüte gepackt mit dem begleitenden Spruch: „Das macht dann 60 Cent, bitte.“ In diesem Verpacken der Brötchen steckt dann eine sog. konkludente Annahme des Kaufangebots, womit der Vertrag geschlossen wird.
Und wenn ich beim Abstellen des Fahrzeugs deutlich zum Ausdruck bringe, dass ich den Vertrag nicht schließen möchte?
Das wird durchaus gerne in den unterschiedlichsten Konstellationen (meistens jedoch im Zusammenhang mit Schwarzfahren) gerne genutzt, um aufzuzeigen, dass man nicht durch konkludentes Verhalten einen Vertrag abschließen möchte. Die schlechte Nachricht: Normalerweise kommt man damit nicht durch. Schon im Jahr 1956 hat der Bundesgerichtshof beim sog. „Hamburger Parkplatzfall“ entschieden, dass in dem Verhalten der damaligen Beklagten ein faktischer Vertragsschluss vorliege, da sie eben eine rein tatsächlich angebotene Leistung in Anspruch genommen habe. Wenngleich die Lehre vom faktischen Vertragsschluss aus heutiger Sicht veraltet erscheint, würde der Fall heute wohl unter Anwendung des juristischen Grundsatzes „Protestatio facto contraria non valet“ genauso entschieden werden. Wie man sieht, spielt die anders gelagerte juristische Begründung keine Rolle für das Ergebnis. Natürlich müssten auch heutige Fälle immer individuell betrachtet werden, jedoch dürften die Ergebnisse heute nicht anders ausfallen – und ob es sich lohnt, mit Blick auf die immer weiter ansteigenden Kosten für das Verfahren etc., den kompletten Instanzenzug zu durchlaufen, ist eher fraglich.
Zurück zum Datenschutz: Warum dürfen die Daten erhoben werden?
Daten dürfen bspw. verarbeitet werden zur Erfüllung eines Vertrages, so Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO. Da mit dem Abstellen des Fahrzeugs ein Vertrag zwischen Ihnen und dem Parkraumbewirtschafter geschlossen wurde (s.o.), ist in der „Vertragsstrafe“ ein vertraglich vereinbartes Nutzungsentgelt zu sehen, wodurch die Erhebung der Daten grundsätzlich als zulässig anzusehen ist.
Für die Halterabfrage beim Kraftfahrt-Bundesamt liegt nach Ansicht des LfDI BW ein berechtigtes Interesse i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO vor. Da derjenige, der sein Kfz unbefugt (also nicht der Parkordnung entsprechend) auf einem privaten (bzw. privat bewirtschafteten) Grundstück abstellt, begeht nach Ansicht des BGH (Urteil vom 18.12.2015, Az. V ZR 160/14, Rz. 13) verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB. Dem Halter des Kfz ist die Störung der öffentlichen Ordnung zuzurechnen, da er dem Fahrzeugführer die Erlaubnis gegeben hat, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen. Um Ansprüche, die sich aus der Verletzung der öffentlichen Ordnung ergeben, durchsetzen zu können, benötigt der Parkraumbewirtschafter die Halterdaten und verfügt somit über ein legitimes und berechtigtes Interesse. Eine weitere Zulässigkeit der Halterabfrage ergibt sich zudem aus § 39 Abs. 1 StVG.
Was darf der Parkraumbewirtschafter nicht?
Da der Parkraumbewirtschafter an dieser Stelle personenbezogene Daten von betroffenen Kraftfahrzeughaltern und ggf. -führern erhebt und verarbeitet, gelten für ihn natürlich die üblichen gesetzlichen Anforderungen im Datenschutz: Die Daten dürfen ausschließlich zur Anspruchsdurchsetzung erhoben werden; es dürfen nur die dafür erforderlichen Daten erhoben und verarbeitet werden; eine Datenweitergabe ist lediglich zu legitimen Zwecken, z.B. im Rahmen des Forderungsmanagements, zulässig. Die Betroffenenrechte nach Artt. 12-23 DS-GVO sind zu beachten, ebenso wie die regulären gesetzlichen Aufbewahrungspflichten.
Fazit
Aus Sicht des Datenschutzes ist die Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur Durchsetzung von Vertragsstrafen für „Falschparker“ nicht zu beanstanden. Es liegen entsprechende Rechtsgrundlagen den Verarbeitungsschriten zugrunde, ebenso verfügt der Parkraumbewirtschafter über legitime Zwecke, die mit der Datenverarbeitung verfolgt werden. Wichtig ist natürlich, dass sich auch der Parkraumbewirtschafter wie jeder sonstige für eine Datenverarbeitung Verantwortliche an die entsprechenden gesetzlichen Regelungen hält.
Ob tatsächlich ein legitimer Anspruch auf das erhöhte Nutzungsentgelt vorliegt, ist eine zivilrechtliche Frage, die immer im Einzelfall geprüft werden muss. Wenn Sie sich gegen ein aus Ihrer Sicht unberechtigtes Nutzungsentgelt wehren möchten, empfehle ich Ihnen Rücksprache mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht oder den Experten Ihres Automobilclubs; diese können Ihnen in solchen Fällen auf jeden Fall weiterhelfen.
Quellen:
https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/wp-content/uploads/2019/02/LfDI-34.-Datenschutz-T%C3%A4tigkeitsbericht-Internet.pdf
http://ruessmann.jura.uni-sb.de/bvr2006/Entscheidungen/V_ZR_223_54.htm
https://www.iurastudent.de/definition/protestatio-facto-contraria-non-valet
https://www.juraforum.de/lexikon/zustandsstoerer